Mittwoch, 27. Dezember 2006

»Hallo, frohe Weihnachten!«

Von Alexander Lang

(jesus.de / epd) - «Hallo!» war das erste Wort der Radiogeschichte. Morsefunker auf Schiffen vor der Küste Neuenglands trauten ihren Ohren nicht, als sich in der Weihnachtsnacht des Jahres 1906 unter das Piep-Piep ihres Morsefunkverkehrs eine schwache menschliche Stimme mischte. Als dann ein Weihnachtslied angestimmt wurde und Geigentöne erklangen, zweifelten viele der Seeleute an ihrem Geisteszustand: Was war das, was da aus dem Äther kam? Reginald Aubrey Fessenden (1866-1932), ein kanadischer Erfinder, der seit Jahren an der drahtlosen Übertragung von Sprache über Radiowellen forschte, lüftete das weihnachtliche Geheimnis.

Mit einem von ihm entwickelten Kurzwellengenerator strahlte er in Brant Rock bei Boston im US-Bundesstaat Massachusetts die weltweit erste Radiosendung aus: ein viertelstündiges Programm mit Ansprache, Bibellesung und Musik.
Der Sohn eines anglikanischen Pfarrers aus East Bolton im kanadischen Bundesstaat Quebec begann als Mitarbeiter des Wetterdienstes des US-Landwirtschaftsministeriums mit Sprechfunk über Radiowellen zu experimentieren. Gemeinsam mit zwei Geschäftspartnern gründete er eine Firma mit dem Ziel, eine drahtlose Kommunikation über den Atlantik zu entwickeln. Die «National Electric Signalling Company» baute dafür Funkanlagen in Brant Rock und Machrihanish in Schottland. Unter seinen Forscherkollegen und in der Presse erntete der Funktechniker Fessenden mit seiner These, auch Sprache könne über elektromagnetische Wellen gesendet werden, viel Spott.

Bereits sechs Jahre vor seiner Weihnachtssendung, am 23. Dezember 1900, gelang ihm die erste drahtlose Sprachübertragung über eine kurze Distanz. Heute gilt Fessenden vielen Radiohistorikern und Amateurfunkern als verkanntes Genie.
Drei Tage vor Heiligabend 1906 kündigte Fessenden seine Sendung über Morseverkehr für Schiffe der US-Marine und des Handelsunternehmens United Fruit Company an. Diese waren mit von ihm entwickelten Empfangsanlagen ausgestattet worden. Die erste Radiosendung durch Amplitudenmodulation war nur dazu gedacht, die Leistungsfähigkeit seiner technischen Entwicklungen zu demonstrieren. Die «Masse» wollte er nicht unterhalten, schrieb er kurz vor seinem Tod in einem Brief. Darin erläutert der erste Radiomacher auch sein Weihnachtsprogramm: «Zuerst hielt ich eine kurze Ansprache, in der ich sagte, was wir tun wollten.» Danach spielte Fessenden Händels «Largo» auf einem Phonographen und intonierte auf seiner Geige das Weihnachtslied «Oh, Holy Night». Gleichzeitig sang er eine Strophe mit, «obwohl der Gesang natürlich nicht gut war», wie er ironisch anmerkt. Anschließend las Fessenden eine Passage aus der biblischen Weihnachtsgeschichte.

Die Sendung schloss mit Wünschen für eine gesegnete Weihnacht und dem Hinweis, dass die Sendung am Neujahrsabend 1906 wiederholt werden sollte. Rückmeldung erhielt Fessenden nicht nur von Schiffsleuten, sondern auch aus Norfolk im US-Bundesstaat Virginia. Nach der Silvestersendung schickten Hörer von den Westindischen Inseln in der Karibik Briefe nach Brant Rock.
Seine Entdeckung brachte dem Tüftler keinen Reichtum ein. Er entwickelte weitere bahnbrechende Erfindungen, wie das Tiefensonar, mit dem Schiffe die Meerestiefe ausloten können. Nach langjährigen Patentstreitigkeiten, unter anderem mit seinen früheren Geschäftspartnern wegen der neuen Radiotechnologie, zog sich Fessenden auf die Bermuda-Inseln zurück, wo er auch starb.

In jüngster Zeit zweifeln einige Historiker die Echtheit der weihnachtlichen Rundfunkübertragung an. Dafür gebe es kaum stichhaltige Beweise, argumentieren sie. Dennoch halten Radio-Enthusiasten weltweit ihrem Idol «Reggie» die Treue. In Fessendens Küstenfunkstelle Brant Rock wollen Hobbyfunker an Heiligabend auf Sendung gehen. Das Programm ist streng historisch:
Eine Ansprache, Bibellesung und Musik. Und es beginnt mit dem ersten Wort im Radio: «Hallo!».

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